Scheidung und Arzt

1. Die Arztpraxis bei Scheidung und im Zugewinn

Eine Vielzahl von Ehen endet nicht bereits nach zwei oder drei Jahren, oft erfolgt die Trennung erst nach 10 oder mehr Jahren.

In der Regel wird von Ärzten in dieser Zeit ein nicht unerhebliches Vermögen erwirtschaftet, sei es in Form von Bankvermögen und Wertpapierdepots oder es wird Vermögen erworben durch den Kauf von Immobilien und die Kredite werden dann in den folgenden Jahren getilgt.

Darüber hinaus wird von niedergelassenen Ärzten in den Aufbau einer neuen Arztpraxis investiert oder es erfolgt ein kostenintensiver Einstieg in eine bestehende Arztpraxis.

 

2. Die Arztpraxis im Unterhaltsrecht

Soweit zum Zeitpunkt der Trennung und Scheidung eine Arztpraxis vorhanden ist, wird diese im Zusammenhang mit der Scheidung in verschiedenen familienrechtlichen Bereichen für die Berechnung und Auseinandersetzung relevant.

Die Arztpraxis betrifft zum Beispiel den Unterhalt, da der in der Regel unterhaltspflichtige Arzt daraus sein Einkommen generiert. Dabei ist für die Unterhaltsberechnung maßgeblich, wie hoch der erwirtschaftete betriebliche Gewinn bzw. steuerliche Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG aus der Arztpraxis ist. Aus dem Gewinn errechnet sich der gegebenenfalls bestehende Unterhaltsanspruch.

Daneben wirkt sich die Arztpraxis zusätzlich auf die Berechnung des Zugewinns aus. Welche Besonderheiten dabei zu berücksichtigen sind, wird nachstehend erläutert:

 

3. Grundsätzliches zum Zugewinnausgleich

Der Zugewinnausgleich wird ermittelt, indem zunächst und getrennt voneinander der Zugewinn des Ehemannes und der Zugewinn der Ehefrau errechnet wird. Um den Zugewinn zu errechnen, muss die Differenz zwischen dem  Anfangsvermögen, also dem Vermögen zum Beginn der Ehe, mit dem Endvermögen verglichen werden. Der Wertzuwachs zwischen dem Anfangsvermögen und dem Endvermögen stellt den Zugewinn dar.

Es sind also zunächst die genauen Vermögensverhältnisse zum Beginn und zum Ende der Ehe zu ermitteln und zwar getrennt für die Eheleute. Erst wenn hier sämtliche Positionen aufgelistet und mit entsprechenden Belegen versehen zur Verfügung stehen, kann eine Berechnung des Zugewinnausgleichs vorgenommen werden.

Viele weitere Informationen zur allgemeinen Berechnung des Zugewinns finden Sie auf meiner Website hier.

Insoweit ist es sicherlich leicht nachvollziehbar, dass Streitigkeiten und familienrechtliche Auseinandersetzungen im Rahmen des Zugewinnausgleichs weniger bei der gesetzlich vorgegebenen Berechnung entstehen, sondern vielmehr bezüglich der Bewertung einzelner Vermögenspositionen.

Der Wert eines Kontoguthabens ist einfach zu ermitteln und kann durch einen Kontoauszug belegt werden. Gleiches gilt für bestehende Kreditverträge und Tilgungsverpflichtungen. Schwieriger ist jedoch beispielsweise die Bewertung eines Autos, Bewertung einer Immobilie oder die Bewertung einer Arztpraxis.

 

4. Zugewinnausgleich und Arztpraxis

Ähnlich wie bei der Bewertung einer Immobilie kommt auch bezüglich der Bewertung einer Arztpraxis in der Regel keine Einigung in Betracht, ohne dass ein Wertgutachten eingeholt wird.

Ein solches Gutachten kann sowohl als Privatgutachten als auch als Gerichtsgutachten eingeholt werden. Es gibt spezielle Gutachter. Eine Orientierungshilfe zum Praxiswert kann auch beispielsweise die kassenärztliche Vereinigung erstellen.

Bei außergerichtlichen Gutachten sollte berücksichtigt werden, dass der andere Ehegatte nicht verpflichtet ist, dieses Gutachten zu akzeptieren. Um unnötige Kosten zu vermeiden empfiehlt es sich, ein kostenpflichtiges Privatgutachten nur dann in Auftrag zu geben, soweit sich die Eheleute darauf geeinigt haben, dass dieses Gutachten für die weitere Berechnung des Zugewinnausgleichs verwendet werden soll.

Bereits im Jahre 2008 hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 6.2.2008 den bis dahin bestehenden Streit über die Methode zur Bewertung einer Arztpraxis eigentlich beendet. Für die Bewertung einer Arztpraxis wird zwischenzeitlich ganz überwiegend das Umsatzverfahren angewendet und dabei berücksichtigt, dass Praxisumsätze häufig sehr stark von der Person des Inhabers abhängen.

Der Wert der Arztpraxis bestimmt sich zum einen aus dem Substanzwert und zum anderen aus dem immateriellen Praxiswert. 

Der Substanzwert meint dabei beispielsweise den Veräußerungswert der Computeranlagen und der gerätetechnischen Ausstattung, den Wert der Praxis Fahrzeuge und den Wert der Praxiseinrichtung. Der immaterielle Praxiswert bestimmt sich durch den sogenannten "good will", also den Wert, der für immaterielle Faktoren wie z.B. den Kundenstamm, die Konkurrenzsituation und den Standort maßgeblich ist. Auch der Ruf und das Ansehen des Inhabers bestimmen insoweit den Wert.

Bei der Bewertung der Arztpraxis ist zu berücksichtigen, dass ein Durchschnitt des jährlichen Gewinns der letzten 3-5 Jahre zugrunde gelegt werden sollte, da die Einnahmen üblicherweise nicht jedes Jahr gleichbleibend sind. von den jährlichen Praxiseinnahmen sind dabei die Kosten, Betriebsausgaben und sonstigen Abschreibungen in Abzug zu bringen.

Wichtig ist, dass zusätzlich der sogenannte Unternehmerlohn bei der Wertermittlung für die Berechnung des Zugewinns abgezogen wird. Aus dem individuellen Unternehmerlohn wird in der Regel bereits der Ehegattenunterhalt berechnet. Deshalb muss der Unternehmer Lohn bei der Berechnung des Zugewinns in Abzug gebracht werden, um eine doppelte Berücksichtigung zu verhindern.

Des weiteren muss die sogenannte latente Ertragssteuer abgezogen werden. Zwar würde diese tatsächlich nur im Falle eines echten Verkaufs anfallen. Nach der gerichtlichen Rechtsprechung kommt es bei der Zugewinnausgleichsberechnung jedoch letztlich nicht darauf an, ob ein Verkauf ansteht oder nicht. In diesem Zusammenhang sind auch Steuervergünstigungen zu prüfen, sofern der Arzt bereits das 55. Lebensjahr überschritten hat.

Schließlich wird durch den Rentenbarfaktor einschließlich der zu erwartenden abgezinsten Zukunftsgewinne und eines dreijährigen Nachhaltigkeitsfaktors ein Multiplikator ermittelt, der mit dem vorstehenden Zwischenergebnis verrechnet wird.

 

5. Abänderung der gesetzlichen Regelungen

Wichtig ist nun, dass die Arztpraxis in der Regel nur eine von mehreren Positionen bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs darstellt. Selbst wenn die Arztpraxis schon zu Beginn der Ehe vorhanden war, ist in der Regel davon auszugehen, dass über die Ehejahre eine erhebliche Wertsteigerung stattgefunden hat. 

Um hier eine für alle Beteiligten sinnvolle Lösungen zu finden empfiehlt es sich, eine Einigung anzustreben. Eine Einigung kann außergerichtlich erfolgen, jedoch auch jederzeit während eines gerichtlichen Verfahrens.

Für beide Eheleute stellt die Beauftragung eines Gutachters ein gewisses Risiko dar. Mehrere Gutachter kommen in der Regel auch zu unterschiedlichen Bewertungsergebnissen. deshalb ist der Ausgang eines Gutachtens für beide Eheleute ungewiss.

Da ein Gutachten jedoch auch erhebliche Kosten verursacht, die letztlich das vorhandene Gesamtvermögen der Eheleute reduzieren, sollte stets der ernsthafte Versuch unternommen werden, eine einvernehmliche Regelung des Zugewinnausgleichs herbeizuführen, möglichst unter Einbeziehung der Unterhaltszahlungsverpflichtungen und eventueller sonstiger Positionen der Vermögensaufteilung. 

Soweit die finanziellen Vorstellungen der Eheleute zu weit auseinander liegen, sollte jedoch ein gerichtliches Verfahren und die Einholung eines Gutachtens nicht gescheut werden. Auch wenn alle Berechnungspositionen für die Berechnung des Zugewinns mit entsprechenden Belegen vorliegen, besteht Einigungspotenzial.

Schriftlich fixiert werden kann eine Einigung sowohl beim Notar als auch bei Gericht. Sollte eine Einigung jedoch nicht möglich sein, wird das familienrechtliche Verfahren in jedem Fall letztlich durch eine gerichtliche Entscheidung beendet werden können.

 

 

Soweit Sie Fragen haben zum Zugewinnausgleich oder der Bewertung einer Arztpraxis, können Sie gerne einen Besprechungstermin in meiner Anwaltskanzlei oder auch einen festen Telefontermin vereinbaren.

 

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Eingestellt am 05.09.2016 von W. Behlau